Irren ist logisch - Warum wir in Denkfallen tappen

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Drei Klassiker aus dem täglichen Leben:

  • Rauchen kann gar nicht so schlimm sein, Helmut Schmidt ist schließlich 96 Jahre alt geworden.

  • Mark wird bestimmt ein erfolgreicher Teamleiter werden, er ist so ein netter Typ!

  • Sein Telefon ist bestimmt kaputt, sonst hätte er mich nach diesem Date ganz sicher angerufen!

Die eigene Logik muss stimmen

Egal, wie seltsam so manche Aussage von aussen betrachtet erscheint: Hauptsache, die eigene Logik stimmt! Wir Menschen lieben stimmige Geschichten. Wir brauchen stimmige Geschichten. Wir haben ein Verlangen nach Plausibilität für unsere Sicht auf die Welt.

Anders formuliert: Wir alle streben nach kognitiver Kohärenz (Stimmigkeit). Kohärenz bedeutet, dass Gedankengänge und Wahrnehmungen in sich logisch, zusammenhängend und nachvollziehbar sind - also stimmig. Das bedeutet: Neue Informationen, die wir aufnehmen, müssen in unser Weltbild passen.


Kognitive Dissonanz

Passen Wahrnehmungen, Gedanken oder Erfahrungen nicht zusammen oder passen sie nicht in unser Weltbild, dann fühlen wir uns unwohl. Oft bemerken wir es kaum, da unser Gehirn über schnelle, unbewusste Strategien verfügt, um mit derlei Unstimmigkeiten umzugehen. Meist schnell und völlig unbewusst löst unser Gehirn kognitive Widersprüche auf und lässt unsere Welt wieder schlüssig erscheinen.

Einen gedanklichen Widerspruch nennt man kognitive Dissonanz. Eine Dissonanz entsteht, wenn mehrere Informationen nicht zusammenpassen. Das Problem für uns dabei: Ein Widerspruch fühlt sich ziemlich unangenehm an und teilweise ist er nur schwer zu ertragen.

Unser Gehirn hat deshalb direkt eine Lösung parat, Dissonanzen (Widersprüche) aufzulösen:

Wir interpretieren um.

Kognitive Dissonanzen auflösen

Und Hallo! Um gedankliche Widersprüche aufzulösen, lässt sich unser Gehirn gerne mal etwas Dolles einfallen. Wie eine Konstruktionsmaschine bastelt sie aus Vorhandenem eine logische Geschichte. Dabei ist es auch noch leichter, eine plausible Geschichten zu konstruieren, wenn man nur wenig weiss.

Ein Beispiel für eine kognitive Dissonanz und deren Auflösung:

Tom bewundert Mike und hält Detlef für einen Feigling.
Nun erfährt Tom, dass Mike den Detlef für mutig hält.


Diese beiden Informationen passen in Toms Welt nun gar nicht zusammen. Eine (unbewusste) Möglichkeit wäre nun, diesem Gedankendilemma einfach auszuweichen, d.h. das Thema auszublenden und nicht weiter darüber nachzudenken. Es ist aber auch möglich, dass Tom sich unbewusst eine stimmige Geschichte konstruiert, indem er Informationen uminterpretiert:

  • “Mike ist gar nicht so toll, wie ich dachte! Denn sonst würde er nicht so einen Quatsch erzählen!”

  • “Oh, dann ist Detlef ja gar kein Feigling!”

  • “Das sagt Mike doch nur, weil er muss. Seine Mutter ist ja mit Detlefs Mutter befreundet. Aber er meint das natürlich nicht wirklich ernst …”

  • “Ich glaube, Mike ist verrückt geworden”

Du willst das Gefühl einer kognitiven Dissonanz live ausprobieren? Dann hast du hier die Möglichkeit:


  • Frage 1:
    Auf einer Skala von 1-10: Wie schlimm findest du es, dass jeden Tag auf der Welt 10.000 Kinder verhungern?

    Frage 2:
    Was hast du zuletzt dagegen getan?

    Und, welches Gefühl hast du gerade?
    Und welche Gedanken kommen dir in den Sinn?

    Beispielsweise:

    • Hm, Spendengelder kommen doch sowieso nie an …

    • Stimmt die Zahl überhaupt?

    • Ich kann ja nicht allen Menschen auf der Welt helfen ...

    • Ausserdem war ich zeitlich ganz schön eingespannt …

    • Nächstes Mal wieder, versprochen!


Wir Menschen sehen uns gerne als rational denkende und logisch handelnde Wesen. Stehen plötzlich eigene Handlungen im Widerspruch dazu - also wenn wir unser Verhalten nicht logisch begründen können, fühlen wir mies. Und schwupps - das Unterbewusstsein springt uns zur Hilfe, indem es uns eine schlüssige Variante anbietet. Der “Druck” wird genommen, wenn die Stimmigkeit wieder hergestellt ist.

Wir machen uns die Welt ganz offensichtlich so, wie sie uns gefällt - um unangenehme Gefühle zu umgehen.

So what? Conclusion

Wir alle handeln nicht immer rational und tappen in Denkfallen, und das werden wir auch nicht gänzlich vermeiden können. Aber was wir können ist, uns diese Tatsache in wichtigen Situationen stärker bewusst zu machen.

Das Wissen darüber hilft uns, Situationen, Reaktionen und Aussagen von anderen zu relativieren. Der Drang nach Stimmigkeit gilt eben für jeden von uns. Es erklärt die Tatsache, warum unser Nachbar manchmal Offensichtliches nicht erkennt. Dinge müssen eben ins eigene Weltbild passen.

Somit: Eine Theorie, die erklärt, warum wir nicht logisch handeln bring damit ja schon mehr Logik in die Sache. Und schon ist alles wieder in Balance! Juhu!

♡♡♡

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Klarer denken - Was wir oft nicht sehen

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