Klarer denken - Was wir oft nicht sehen

  • Egal, wie viele Menschen unter einem Regenschirm stehen: Wenn es nicht regnet, werden sie auch nicht nass. Auch wenn wir dazu neigen, beim Wort Regenschirm direkt an Regen zu denken, so war davon in der Frage nicht die Rede ;)


Abrahams Flugzeuge

Abraham Wald war ein Mathematiker und ihm wird folgende Geschichte zugeschrieben: Im Zweiten Weltkrieg wurde er damit beauftragt, Berechnungen durchzuführen, um die Kampfflugzeuge der Royal Air Force sicherer zu machen. Dafür sollte eine gesonderte Panzerung mit minimaler Gewichtszunahme durchgeführt werden. Er untersuchte alle Maschinen auf deren Einschusslöcher und gab im Anschluss folgende Empfehlung:


Er empfahl, alle NICHT getroffenen Stellen stärker zu panzern.


Die Entscheidung macht sofort Sinn, wenn man folgendes erkennt: Es wurden nur diejenigen Flieger analysiert, die es wieder nach Hause geschafft haben. Die abgestürzten Flugzeuge wurden nicht untersucht.

Den Flugzeugen, die es wieder nach Hause schafften, konnten die Einschusslöcher offenbar nichts anhaben. Diejenigen, die an anderen Stellen (z.B. am Tank) getroffen wurden, waren abgestürzt und konnten nicht mehr untersucht werden.

Für Abraham Wald lag die Lösung daher auf der Hand: Die Flugzeuge wurden also an den Stellen ohne Einschusslöcher verstärkt, da Einschüsse an diesen Stellen vermutlich zum Absturz der Maschinen geführt hatten. Die beschädigten Stellen der zurückgekehrten Maschinen hatten sich offenbar als robust erwiesen.


Abraham ist also nicht in eine Denkfalle getappt, auch wenn er damit in guter Gesellschaft gewesen wäre. Denn grundsätzlich neigen wir dazu, über Denkfallen zu stolpern. Der kognitive Effekt aus diesem Beispiel nennt sich “Survivorship Bias” (oder auch “Feature Positive Effect”) und zeigt auf:


💡 Wir haben Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Nicht-Ereignissen.
💡 Wir können nicht gut erkennen, was nicht da ist.
💡 Wir ziehen Nicht-Ereignisse oft nicht in Betracht.

Ein Beispiel zum Ausprobieren

Um diesen kognitiven Effekt für dich zu testen, schau dir die beiden folgenden Zahlenreihen an. Beginne mit der Zahlenreihe I.
Wenn du eine Hilfestellung möchtest, kannst du dir zuerst das Ergebnis von Reihe I anschauen, und es dann noch einmal mit Reihe II versuchen.

Los geht´s:

Was haben die Zahlen in der Reihe I gemeinsam?

Was haben die Zahlen in der Reihe II gemeinsam?

  • Alle Zahlen beinhalten eine 6.

  • Alle Zahlen beinhalten KEINE 4.


Was stellst du fest? Das Ergebnis der Reihe I aufzulösen ist einfacher als das der Reihe II. Denn das Vorhandensein von etwas ist leichter zu erkennen als etwas, das nicht vorhanden ist.

Das Checklisten-Risiko

Fridolin will es ganz genau machen. Daher hat er sich so einige Checklisten erstellt. Nun wird er mit der Aussage konfrontiert, dass dieses Vorgehen seine Tücken hat. Das versteht er nicht. Warum sollte das so sein?


Checklisten checken das Offensichtliche. Ein alleiniges Vertrauen darauf vermittelt allerdings eine falsche Sicherheit - denn keine Checkliste der Welt kann alle denkbaren Ereignisse abfragen. Wenn wir Gefahren mittels Checklisten ausschließen, dann richten wir unsere Aufmerksamkeit nur auf die Punkte, die auf der Liste stehen. Wir richten unsere Aufmerksamkeit nicht auf das, was nicht auf der Liste steht.

So wird eine Hypothekenbank voraussichtlich ein Kreditrisiko ihres Kunden anhand von Checklisten schnell erkennen. Die Tatsache, dass neben dem zu kaufenden Haus eine Müllverbrennungsanlage geplant ist, bleibt allerdings unberücksichtigt …

So what?

Denkfallen und kognitive Verzerrungen führen dazu, dass wir nicht immer so objektiv und logisch sind, wie wir glauben. Ausserdem: Denkfallen lassen sich auch nicht vermeiden. Allerdings hilft es, sie zu kennen, um ihren Effekt zu schwächen: Der Trick ist, uns das Vorhandensein von Denkfallen in wichtigen Situationen bewusst zu machen.


Und noch eine Sichtweise bietet sich an:
Hast du heute schon darüber nachgedacht, welches Problem du gerade NICHT hast?
Die Abwesenheit von Kopfschmerzen weiss man in der Regel nur mit dickem Kopf zu schätzen. Das gleiche gilt für Frieden, sauberes Wasser, einem Dach über dem Kopf, Schulausbildung, einen Arbeitsplatz, Lebensmittel, Klopapier ...

Wie wär´s also, öfter mal die Probleme zu würdigen, die wir nicht haben …

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Warum Kritik hilft und Lob schadet..?

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Irren ist logisch - Warum wir in Denkfallen tappen