Zukunftsgedanken

Warum wir uns auf die Zukunft freuen können


Zwei Männer haben eine hitzige Debatte. Sie sitzen in der Redaktionssitzung der New York Times und diskutieren über eine neue Erfindung, die auf einer Messe vorgestellt wurde. Kurz danach veröffentlichen sie einen Bericht über den just erfundenen Fernseher. Es ist 1939.

"Das Problem mit dem Fernsehen ist, dass die Menschen dasitzen und ihre Augen auf einen Bildschirm halten müssen. Die durchschnittliche amerikanische Familie hat keine Zeit für so etwas. Deshalb sind sich die Aussteller einig, dass das Fernsehen keine Konkurrenz für das Radio darstellt."

Wie unser Gehirn funktioniert

Wenn wir uns selbst betrachten, stellen wir etwas Widersprüchliches in uns fest: Wir haben nämlich zu viel Vorstellungskraft. Und wir haben zu wenig Vorstellungskraft. Und deswegen sind wir Menschen nicht gut darin, uns die Zukunft vorzustellen.


Unser effizientes Gehirn stolpert regelmässig über Denkfallen und geht in Punkto Zukunft zwei systematischen Denkfehlern auf den Leim:

  1. Wir können uns nur schwer Dinge und Ereignisse vorstellen, die wir nicht kennen. Hier haben wir schlicht zu wenig Vorstellungskraft: Als man keinen Fernseher kannte, konnte man das zukünftige Fernsehverhalten eben nur schwer erahnen.

  2. Wir überschätzen den Einfluss von Dingen und Situationen, den diese auf uns haben. Hier ist unser Gehirn sehr kreativ: Wir haben zu viel Vorstellungskraft, wir übertreiben. Der psychologische Effekt dahinter nennt sich Impact Bias.

Wir können uns nur das vorstellen, was wir sowieso schon kennen

Was haben wir uns nicht alles vorgestellt.
Und was haben wir uns alles nicht vorgestellt.


Wir können uns nur das vorstellen, was wir schon kennen, - und daher spiegeln unsere Ausführungen über die Zukunft meist auch nur das Bekannte wieder. Offenkundig wird das, wenn wir rückblickend auf alte Zukunftsprognosen schauen, z.B. der des Fernsehers oder auf die folgende Vision aus dem Jahr 1967:


“Der arbeitsreiche Alltag der Hausfrau wird darin bestehen, ein wachsames Auge auf die Roboter zu werfen, die lautlosen und zuverlässigen Dienstboten des Jahres 2000"


Ganz verkehrt war die Idee ja nicht. Unser Haushalt ist voller Roboter und fancy Hightech. Und stellte man sich den Roboter-Dienstboten früher noch als mannshohen “Maschinenmenschen” vor, so ist der aktuelle Look des gängigen Saug-/Wisch- oder Mähroboters nur deutlich schlichter.
Soweit so gut. Von Robotern und Raumschiffen haben wir schon als Kind gehört. Sie waren daher für uns vorstellbar, Captain Future sei Dank! Doch was kam in früheren Zukunftsvisionen niemals vor?


Schauen wir noch einmal auf die oben genannte Vision von 1967: Roboter waren vorstellbar, aber nicht doch ein Haushalt ohne Hausfrau!


Hausfrauen hatten in früheren Zukunftsnarrativen auch niemals tätowierte Arme. Männer spazierten niemals mit Babys in Tragetüchern durch die Szenerie. Hundebesitzer sammelten niemals Hunde-AA von der Strasse auf. Und niemals erkundigte sich ein gepierctes Cafefräulein danach, ob man den Kaffee mit Kuh-Milch wünsche.
Oder den Burger mit echtem Fleisch.

  • Wie stellen wir uns eigentlich einen Ausserirdischen vor?
    Vielleicht menschenähnlich, grün, mit großen Augen?


    Doch wie wäre es damit: Vielleicht sind sie nur 1 mm groß. Oder 115 km. Oder sie haben eine Haut aus schwarzem Gummi. Oder sie haben die Gestalt eines Turnschuhs, eines Geodreiecks oder eines Elefanten. Oder sie bestehen nur aus einem Energiefeld und wir können sie gar nicht sehen? …
    Ist es nicht seltsam, dass wir so wenig unterschiedliche Vorstellungen von etwas haben, das wir alle gar nicht kennen?

Eine aussterbende Frage

Auf die Kindergarten-Frage “Was willst du mal werden, wenn du gross bist?” gab es von Ü30-Jährigen niemals diese Antwort: Wenn ich gross bin, dann werde ich Blogger.


Auch hätten wir die Berufe der SEO-Spezialistin, des Youtubers, IT Security Experten oder Online-Shop-Entwicklers nicht angeführt.
Alles nicht vorstellbar damals, in Ermangelung des Vorhandenseins unseres Internets. Google gibt es seit 1997, das www seit 1989. Und wie soll man sich das Internet vorstellen, wenn man es nicht kennt?


Heimarbeit war nur für Näherinnen. Tiktok-Videos, Dosenpfand, Facebook und Gedöns waren genauso wenig vorstellbar wie die Gagen von Ronaldo. In Zeiten in denen View Master und Walkman die Hits der Kindheit waren waren und Red Bull in Deutschland noch verboten - wer hätte da erahnen können, was es einige Jahre später einmal alles geben würde?


Wie also wollen wir also nur ansatzweise vorstellen, was auf uns wartet? Da können wir uns auch gleich entspannt überraschen lassen.

Impact Bias: Wir überschätzen Ereignisse

Ein Klassiker aus unserem Gedankenrepertoire:


Wenn wir nur endlich wieder in diese Hose reinpassen, DANN sind wir glücklich!

Wenn wir endlich diesen Heiratsantrag bekommen, diese Beförderung oder eine hübschere Nase! Dann wird alles gut, dann sind wir glücklich und dann, liebe Leute, dann geht das Leben endlich richtig los!


Der Punkt ist nur: Das Leben beginnt nicht erst, wenn …. wir ein Auto, einen Gatten, Gesundheit oder Erleuchtung haben. Das Leben findet heute statt.
Ausserdem: Kennen wir jemanden, der nach dem Kauf eines Traumautos wirklich ein zufriedeneres Leben hatte?


Wem dies je gelang: Herzlichen Glückwunsch! Und das ist wirklich ernst gemeint. Doch falls uns niemand einfallen will: Ja, wir sitzen eben alle im gleichen Boot. Unsere Gehirne sind ähnlich konstruiert und spielen uns die gleichen Tricks.


Positive Events werden überschätzt. Studien berichten deswegen regelmässig, dass Lottogewinner nach einer gewissen Zeit wieder auf ihr ursprüngliches Glücks- oder Zufriedenheitslevel zurückfallen. Natürlich ist zu Beginn die Euphorie immens, doch dann wird neuen Problemen Platz geschaffen, die den Geist bewegen.


Dieser Effekt wirkt auch im umgekehrten Fall, denn die Wirkung von negativen Episoden überschätzen wir ebenfalls. Auch wenn vieles für viele (mich eingeschlossen) überhaupt nicht vorstellbar erscheint, berichten Studien davon, dass Menschen sich nach Schicksalsschlägen in den darauffolgenden 1-2 Jahren ebenfalls wieder in Richtung ihres ursprünglichen Zufriedenheitslevels bewegen.


Die Quintessenz lautet demnach: Bist du grundsätzlich ein eher zufriedener Mensch, dann kann dir im Grunde nichts passieren. Kurzfristig können dich Situationen aus der Bahn werfen, doch mittelfristig wirst du dich wieder berappeln und in der Nähe deines ursprünglichen Zufriedenheitsniveaus einpendeln.


Ist jemand allerdings ein eher unzufriedener Zeitgenosse - dann werden auch Lottogewinne nicht helfen. (Die Steuern! Die Neider! Die lauten Nachbarn!). Dann liegt die Lösung nicht darin, irgendwelche positiven Sensationen heraufzubeschwören. Unzufriedenen Menschen hilft vermutlich nur die Erkenntnis von Ralph Waldo Emerson: “Nichts kann dir Frieden geben nur du selbst”.


Das kann man jetzt absurd finden, glauben oder nicht glauben. Völlig legitim. Psychologisch gesehen hat diese Theorie jedoch einen Namen: Impact Bias. Dieser Bias (Verzerrung) gehört zu den kognitiven Denkfehlern, die typisch für unsere Spezies sind.

"Wir müssen ja sowieso denken, warum dann nicht gleich positiv?"

… lautet ein Zitat, das Albert Einstein zugeschrieben wird. Ob Einstein der Verfasser war oder nicht, es wirft die Frage auf: Hat der Autor das ernst gemeint - oder zynisch?


Wir werden seine Absicht nicht erfahren. Doch egal, denn auf den zweiten Blick dämmert es: Die Idee ist doch gut! Denn was macht schliesslich mehr Sinn, unabhängig davon, was sich in den kommenden 30 Jahren tatsächlich ereignet?:

a. Wir haben 30 Jahre Angst (davor, was passiert)
b. Wir sind 30 Jahre lang entspannt (und denken: “The best is yet to come!”)


Es kommt eben, wie es kommt. Und dann können wir auch getrost Variante b. wählen und einfach mal hoffen, dass eine gute Zeit vor uns liegt!


Die Idee dabei soll allerdings nicht sein, dass wir ignorant alle Unwägbarkeiten hinnehmen und uns um nichts kümmern. Und dass wir uns einreden, es gäbe keine grauen Tage mehr oder wir könnten sie einfach mal rosa anmalen. Vielmehr geht es um den Gedanken, diejenigen Situationen hinzunehmen, die wir nicht ändern können. Es geht darum zu lernen, negative Gedankenspiralen zu unterbrechen, indem wir uns bewusst an unsere mentalen Stolperfallen erinnern. Um als Folge davon die gesparte Energie für diejenigen Dinge zu verwenden, die wir beeinflussen können.


Und das könnten wir beispielsweise tun:

  • Uns selbst besser kennenlernen und verstehen, wie unser Gehirn funktioniert, was uns Angst macht und wie wir damit umgehen können.

  • Wir können ein Growth Mindset aufbauen, neugierig bleiben und lernen, und insgesamt Dinge spielerischer angehen.

  • Wir können so werden, wie wir sein wollen. Integer handeln, gesund leben und Gelassenheit, (Ur-)Vertrauen und Verbundenheit kultivieren.

„Ich bin ein alter Mann und ich habe schreckliche Dinge erlebt, doch das meiste davon ist zum Glück nie eingetreten.”
(Mark Twain)


So what?

Erinnern wir uns doch einfach öfter an diese zwei Dinge:

  1. Erinnern wir uns häufiger daran, wie wir ticken.
    Wenn wir uns und unser menschliches Verhalten besser kennenlernen, verstehen wir, dass unser Gehirn so konzipiert ist, dass es uns ständig warnen möchte. Wir verstehen dann, dass unser Gehirn das Unbekannte intuitiv nicht besonders mag. Dass wir uns Dinge kaum vorstellen können, die wir nicht kennen. Und dass wir die die Wirkung von (negativen und positiven) Ereignissen überschätzen. Dass wir nicht deprimiert sein müssen, wenn etwas nicht klappt, weil wir die Auswirkung von tollen Ereignissen sowieso überschätzen. Und dass wir unseren eigenen Fähigkeiten vertrauen können wenn es mal Wellengang gibt.

  2. Erinnern wir uns daran, was wir später gerne einmal über unser Leben sagen würden.
    Dazu zäumen wir das Pferd am besten von hinten auf: Was wäre am Ende wichtig? Was würdest du rückblickend gerne über dein Leben sagen?


    Wäre es dir wichtig, immer die aufgeräumteste Wohnung gehabt zu haben?
    Die Beförderung vor 40 Jahren statt erst vor 38 Jahren erhalten zu haben?
    Bei einem Streit vor 20 Jahren Recht gehabt zu haben?
    Dass ein Sack Reis umgefallen ist?


    Oder wäre es vielmehr bedeutend, ein guter Mensch gewesen zu sein? Ein selbstbestimmtes Leben geführt zu haben? Dinge getan zu haben, du uns wichtig waren, und nicht diejenigen, die andere für uns im Sinn hatten?
    Dass wir oft den Humor und noch öfter unsere Werte gewahrt und Dinge nicht so verkrampft genommen haben? Dass wir das Leben so oft wie möglich genossen haben?

So wie du am Ende deines Lebens wünschest gelebt zu haben, so kannst du jetzt schon leben.
(Marc Aurel)


One more thing

"You can’t connect the dots looking forward; you can only connect them looking backwards. So you have to trust that the dots will somehow connect in your future. You have to trust in something — your gut, destiny, life, karma, whatever. This approach has never let me down, and it has made all the difference in my life."

(Steve Jobs)


… Come and look how it could be in future world
We all live in happiness our life is full of joy
We say the world tomorrow without fear
The feeling of togetherness is always at our side
We love our life and we know we will stay

'Cause we all live
In future world
A world that's full of love
Our future life will be glorious
Come with me future world

(Helloween: Futureworld)

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Change your Story: Warum wir uns Gedanken über unsere Gedanken machen sollten