Change your Story: Warum wir uns Gedanken über unsere Gedanken machen sollten

… und wie wir einen besseren Einfluss auf uns selbst bekommen

Das, was du heute denkst, wirst du morgen sein. (Buddha)


Es ist schon spät als Roy nach Hause kommt.

Seine Knie geben nach, als er die Wohnung betritt; er strauchelt. Er trägt immer noch das Morgenjacket, ein Knopf baumelt seelenlos am Ärmel und drei nasse Fäden ringeln sich um sich selbst. Fremd wirkt das große Penthouse; es ist vollgestopft mit Kram und doch ist es seltsam leer. So leer wie Roy. Vor zwei Wochen ist sein Leben aus den Fugen geraten, seitdem erscheint ihm alles noch viel sinnloser. Endlose Tage des Grauens liegen hinter ihm.
Mühsam schenkt er sich einen Drink ein: Wie konnte das alles nur passieren!?

Wie konnte es passieren, dass er nur den silbernen Schlagerpreis erhalten hat, und nicht den goldenen?

Marisa Peer ist Therapeutin. Das Fazit ihres Berufslebens, in dem sie unzählige Klienten - Sportler, Prominente & Normalbürger - kennengelernt hat, lautet: Die meisten Menschen leiden aufgrund ihrer “negativen Glaubenssätze”: Sie glauben daran, dass sie “nicht genug” sind. Nicht schön genug, nicht erfolgreich genug, nicht schlau genug, nicht reich genug, nicht gut genug …

Bei Prominenten finden wir das seltsam. “Der hat doch alles” denken wir und können uns nicht vorstellen, warum jemand, der so offensichtlich großen Erfolg hat, trotzdem mit dem Leben hadert.

Doch da ist eben der Haken: Wenn wir unbewusst dem Glauben aufsitzen, dass es nicht genug ist, dann ist es eben nicht genug. Und dann ist es egal, ob wir unsere Situation aus Sicht von Hans Müller betrachten oder aus der eines Superstars. Immer wird jemand das dickere Konto oder die dickeren Lippen haben, die schnellere Beförderung oder noch mehr Oskars.

If you are successful and you are not fulfilled, that is the ultimate failure.
(Tony Robbins)


Glaubenssätze: Und was glaubst du so?

Glaubenssätze sind unsere inneren Überzeugungen. Wir haben sie irgendwann in der Kindheit gelernt und von unserem Umfeld übernommen. Das entscheidende dabei ist, dass wir uns gar nicht darüber bewusst sind, was wir alles glauben. Und wir verstehen auch nicht, welche Auswirkungen das hat. Hilfreiche Glaubenssätze, d.h. positive Sichtweisen über uns und die Welt stärken uns, während “negative” Glaubenssätze destruktiv sind und uns behindern. Und da alles ganz unmerklich (unbewusst) geschieht, denken wir oft, dass unsere Probleme von etwas ganz anderem verursacht werden.


So gibt es eine ganze Menge hinderlicher Glaubenssätze, die in unserem Unterbewussten schlummern und uns im Alltag zu schaffen machen. Einige der beliebtesten Klassiker sind:

  • Ich bin nicht … genug. (Platz 1)

  • Ich muss es allen recht machen.

  • Geld verdirbt den Charakter.

  • Nur wenn ich mich richtig abgemüht habe, ist das Ergebnis auch etwas wert.

  • Ich muss es alleine schaffen.

Negative Glaubenssätze boykottieren uns. Zwei Beispiele

Beispiel 1: Ich möchte gerne viel Geld haben.

Wenn ich unbewusst glaube, dass Geld den Charakter verdirbt, dann kann ich mich bewusst noch so sehr anstrengen - ich werde nicht nennenswert zu Geld kommen. Denn: Hätte ich Geld, dann müsste ich mich ja verachten (mein Charakter würde verderben). Und dies wird mein Unterbewusstsein nicht zulassen.


Beispiel 2: Ich möchte weniger gestresst sein.

Wenn ich den Glaubenssatz habe, dass ich im Job (oder allgemein) erst richtig ins Schwitzen kommen und mich bis zur Erschöpfung anstrengen muss, damit das Ergebnis wirklich wertvoll ist - tja, dann werde ich leider immer gestresst sein.

Denn: Wäre ich nicht abgekämpft, hätte ich mich offenbar nicht genug angestrengt und würde mich unbewusst verurteilen (Looser!). Ich hätte (laut Glaubenssatz) nicht genug geleistet, solange noch Energiereserven übrig sind. Wir stünden dann quasi zwischen der Wahl, uns mies zu fühlen (Looser) - oder uns mies zu fühlen (gestresst). Und weil wir (unbewusst) kein Looser sein wollen, würden wir uns also immer wieder gestresst fühlen.

Mit diesem Glaubenssatz kann man nun wirklich nicht gewinnen.

The biggest disease affecting humanity: I’m not enough.
(Marisa Peer)


“Immer vermassel ich´s” - “Diese Arbeit macht mich krank”

Und als ob das nicht genug wäre, schüren wir unsere Gedanken zusätzlich mit unqualifizierten Kommentaren. Wir hadern: “Ich bin so ein Depp”, “Die Schwiegermutter macht mich krank”, “Das kann ich nicht und werde es nie können.” Derartige Botschaften, wir ahnen es, helfen uns nicht. Möglicherweise schlimmer noch, denn Marisa Peer ist sich sicher: Unser Unterbewusstsein folgt genau dem, was wir ihm sagen. Alle Aussagen, die uns selbst betreffen, werden vom Unterbewusstsein als direkte Handlungsanweisung wahrgenommen.

Die Regeln unseres Geistes (Rules of the mind)

Um die Funktionsweise unseres Verstandes zu veranschaulichen, hat Marisa Peer seine Gesetzmässigkeiten zusammengefasst. Hier sind einige davon:

  1. Dein Verstand tut immer das, was er glaubt, dass du es willst. Dabei ist es ihm egal, ob das, was du ihm sagst, gut, schlecht, wahr, unwahr, gesund, ungesund, richtig oder falsch ist, - er handelt einfach nach deinen Worten.

  2. Der Verstand lernt durch Wiederholung.

  3. Dein Verstand will bei dem bleiben, was ihm vertraut ist, während er das Unbekannte meidet.

  4. Worauf du dich konzentrierst, davon bekommst du mehr.

  5. Deine Gedanken und Worte bilden eine Blaupause, an der dein Geist und dein Körper arbeiten, um deine Realität zu schaffen.

  6. Jeder Gedanke, den du denkst, verursacht eine körperliche Reaktion und eine emotionale Antwort.

  7. Im Umgang mit dem Unterbewusstsein gilt: Je größer die bewusste Anstrengung, desto weniger reagiert es.

  8. Der Verstand kann keine widersprüchlichen Überzeugungen oder Gedanken speichern. Sie heben sich gegenseitig auf.

  9. Die Vorstellungskraft ist mächtiger als das Wissen.

  10. Der Verstand funktioniert nur in der Gegenwartsform.

Was können wir also tun?

Drei Tipps für dein Mindset

⌗ 1: Change your Story

Wenn unser Unterbewusstsein genau das tut, was wir ihm sagen, dann sollten wir ihm eine bessere Geschichte erzählen. Wir können es mit neuen Glaubenssätzen füttern, die uns stärken und unterstützen - statt gegen uns zu arbeiten.

In Kurzform lautet die Anleitung für dein persönliches Softwareupdate:

  • Finde deine(n) negative(n) Glaubenssätz(e) heraus. Mach dir sie bewusst.

  • Such dir hilfreichere Glaubenssätze (die du glauben willst - und kannst!)

  • Wiederhole sie. Oft. Massiere sie in dein Unterbewusstsein ein. Die einmalige kognitive Herleitung eines neuen Glaubenssatzes ist in der Regel zu kurz gesprungen. Um neue Denk(auto-)bahnen im Gehirn anzulegen und zu betonieren, müssen diese oft befahren (gedacht) werden, bis sie schliesslich zu einer neuen (Denk-) Gewohnheit werden.

  • Wenn du feststellst, dass du einen destruktiven Gedanken hast, dann bleib entspannt. Denk Dir einfach: “Ah... da ist ein schräger Gedanke.” No Drama. Lass ihn einfach wie eine Wolke vorbeiziehen und switche auf einen neuen, hilfreicheren Gedanken.

”Ich am enough” - “I have phenomenal Coping Skills”

“Ich bin genug” und “Ich habe grossartige Fähigkeiten, um mit allem klar zu kommen” bietet Marisa Peer als neue Überzeugung und Glaubenssatz an. Und ja, stimmt doch auch! Jeder von uns ist ein Unikat und jeder von uns hat beträchtliche Fähigkeiten - Schliesslich sind wir bisher mit allem klargekommen denn sonst wären wir nicht hier. Was haben wir nicht alles schon gemeistert: Schule, Bewerbungsgespräche, Führerschein und Umzüge. Liebeskummer, Zahnarztbesuche, Griffe ins Klo und Windpocken. Hurra, wir leben noch!

  • Erstelle eine ABC-Liste nach Vera F. Birkenbihl:

    Schreibe alle Buchstaben des Alphabets untereinander. Dann suche nach Assoziationen, die dir zu folgender Frage in den Sinn kommen: Was hast du in deinem Leben schon alles gemeistert? Fülle nun die Liste so aus, wie dir die Assoziationen zu der Frage in den Sinn kommen. Fällt dir etwas zu A, B, C, … ein? Es brauchen nicht alle Buchstaben ausgefüllt zu werden, die Reihenfolge ist ebenfalls egal und es ist möglich, einem Buchstaben mehrere Begriffe zuzuordnen.

    Die Idee dabei: Beweise zu sammeln, damit du verstehst, dass der Satz “I have phenomenal coping skills” für dich stimmt und du ihn glauben kannst.

⌗2 Praise yourself: Lob dich selbst

Eigenlob stinkt, haben wir gelernt. Ist doch anmassend! Lieber freudlos sein als ein Angeber.
Schade eigentlich! Sittsam verlernen wir damit, uns zu freuen und aus uns selbst heraus neuen Mut zu schöpfen.


Die angestrebte Bescheidenheit endet daher oft im Krampf. Nur noch verspannt nehmen wir dann das Lob der anderen auf und antworten mit Sätzen wie “Das war doch nicht der Rede wert” oder “Och, die Bluse ist schon alt”.


Wie wär´s damit, sich einfach bei der nächsten netten verbalen Zuwendung zu freuen? “Dankeschön, das hat mir auch wirklich Spaß gemacht!” oder “Vielen Dank! Das ist eine meiner Lieblingsblusen!”

Und wenn dich niemand lobt? Hol´s dir!

Wenn uns niemand mit einem Lob bedenkt, dann holen wir es uns eben selbst ab. Unserem Unterbewusstsein ist es ziemlich egal, welche Art des Erfolgs gepriesen wird und ob es sich dabei um eine spektakuläres oder bescheidenes Ereignis handelt. Und ein Lob muss auch nicht vom Bundespräsidenten ausgesprochen werden, um bei uns zu wirken.


Loben ist wie ein Streicheln über den Kopf und hilft auch von wohlgesinnten Freunden. Im Bedarfsfall einfach mal ausprobieren: Die Freundin anrufen und sich von ihr loben lassen. Macht auf jeden Fall gute Laune und streichelt das Gemüt!


Von einer nahestehenden Person höre ich dazu hin und wieder amüsiert “Du brauchst aber wieder Aufmerksamkeit!” Inzwischen weiss ich: Stimmt! - und finds auch nicht mehr peinlich. Ist eben gerade so, also her mit dem Lob!
So einfach kann es manchmal sein.

⌗3 Das Wörtchen “noch” nutzen: Du kannst es NOCH nicht

Psychologin Carol Dweck ist die “Entdeckerin” des Growth Mindset. Menschen mit einem Growth Mindset haben die Überzeugung: “Ich kann das lernen.”


Und wieder ist der Glaube entscheidend für das Ergebnis. Wenn wir verinnerlicht haben, Dinge lernen zu können, dann wird unser Unterbewusstsein uns darin bestärken und unser Handeln beeinflussen.


Demgegenüber glauben Menschen mit einem Fixed Mindset an angeborenes Talent. Das Problem dabei ist, dass talentierte Menschen mit einem Fixed Mindset sich oft nicht auf neues Terrain wagen, da sie einen Ruf zu verlieren haben. Und das wiederum führt dazu, dass sie nicht lernen, mit Misserfolgen umzugehen.


Menschen mit einem Growth Mindset glauben an dauerhafte persönliche Entwicklung. Rückschläge sind Teil des Prozesses und werden als Erfahrung verbucht. Erfolgreiche Mitmenschen dienen als Inspiration und nicht als Bedrohung.


Eine einfache Übung, um ein Growth Mindset aufzubauen, besteht in der Umformulierung eines Satzklassikers.

Statt: “Ich kann das nicht” nutze: “Ich kann das NOCH nicht.”


Klare Botschaft an das Unterbewusstsein!

Ob du denkst, du kannst es, oder du kannst es nicht: Du wirst auf jeden Fall recht behalten.
(Henry Ford)


So what? Conclusion

Marisa Peer hat in ihrer langjährigen Therapiepraxis festgestellt, dass sich ihre Klienten im Wesentlichen nur drei Typen zuordnen lassen:

  1. Diejenigen, die gerne alles hätten, aber nichts davon erreichen oder festhalten können.

  2. Diejenigen, die fast alles haben, sich dann aber selbst sabotieren (Süchtige, Workaholics, Fremdgeher)

  3. Diejenigen, die an ihrem Mindset arbeiten und damit einiges erreichen (Berufliche Bestimmung, Beziehung, Wohlbefinden). Darüber hinaus befassen sie sich damit, ihr Wissen mit andern zu teilen.
    Diese Gruppe ist die Zufriedenste.

Einstellung (Mindset) -> Verhalten -> Ergebnis

Wenn wir andere Ergebnisse wollen, dann ist es zu kurz gesprungen, uns nur mit unserem Verhalten auseinanderzusetzen. Effektiver ist es, an unserem Mindset zu arbeiten. Und die Chancen stehen damit gut, dass wir zur Gruppe 3 aufschliessen, in die Gruppe der Zufriedenen.

Wie können wir an unserem Mindset arbeiten?

Wir können unser Mindset verbessern, indem wir hinderliche Glaubenssätze durch förderliche ersetzen. Indem wir freundlicher mit uns sprechen. Uns loben. Unser Denken und Handeln reflektieren und uns besser kennenlernen.


Wir wissen nicht genau, wie unser Unterbewusstsein funktioniert. Doch es gibt viele Hinweise, Studien, Therapeutenberichte, die - wie die Weisen und Philosophen aller Zeiten - auf die Macht der Gedanken hinweisen.

Das Glück Deines Lebens hängt von der Beschaffenheit Deiner Gedanken ab.
(Marc Aurel)


Wir wissen, dass Lehrer, die Schüler für begabt halten, sie unbewusst stärker fördern, was zu besseren Ergebnissen führt. Der Glaube an die Begabung macht den Unterschied.


Wir wissen auch, dass sich Placebo-Effekte nicht nur bei Fake-Medikamenten zeigen, sondern auch die Wirkung von echten Medikamenten verstärken. Und dass es Schein-OPs gibt, die die gleiche Wirkung erzielen wie echte OPs. Auch hier hat der Glaube an die Wirksamkeit Einfluss auf das Ergebnis.


Bleibt also eine letzte Frage an den vielleicht zögerlichen Teil ins uns, der vielleicht noch nicht ganz glauben kann, dass unsere Gedanken so einen Einfluss haben: Was gibt´s eigentlich zu verlieren, wenn wir ein neues Denken ausprobieren?

Und ich hab noch was, das vergesse ich oft.
Dann muss ich mich neu besinnen -
Ich hab nicht nur nichts zu verlieren,
sondern so viel zu gewinnen.
(Julia Engelmann)

♡♡♡

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