Warum Kritik hilft und Lob schadet..?

Nach Lob wurde die Leistung schlechter

Du bist total happy über die außergewöhnlich guten Ergebnisse deines neuen Teamkollegen. Wahnsinn! Diese Leistung muss gewürdigt werden, denkst du, und schüttest das Füllhorn des Lobes über ihn aus. Du bist dir sicher, dass dies seine Motivation steigern wird, was wiederum zu neuen Spitzenleistungen führen wird.

Und dann das: Kaum ausgesprochen, fällt in der nächsten Runde das Ergebnis schlechter aus. Das gibt es doch nicht? Du bist ratlos und enttäuscht. Hat das Lob den Kollegen zu bequem gemacht?

Szenenwechsel:

Das war nun wirklich nichts! Die Noten der letzten Klassenarbeit liegen vor - und das Ergebnis deiner Nachhilfeschülerin ist unterirdisch! So etwas Schlechtes hast du lange nicht gesehen. Du kannst nicht anders: Du schimpfst und zeterst. Und siehe da, die Note ist beim nächsten Mal wieder besser.

Was können wir daraus schliessen? Kritik hilft, Lob nicht!? Immerhin wurden die Ergebnisse nach dem Lob schlechter und nach Kritik besser.

Oder?

Eine statistische Erklärung

Nein, es ist natürlich nicht zwangsläufig so. Puh ;) Was wir beobachten haben, nennt man in der Statistik die Regression zur Mitte.

Die Regression zur Mitte bezeichnet das Phänomen, dass nach einem extremen Wert der nächste Ergebniswert wieder näher am Durchschnitt liegt.

Diese Erkenntnis geht zurück auf Sir Francis Galton, ein Halbcousin von Charles Darwin. Er untersuchte die Größenunterschiede von Vätern und Söhnen und stellte fest:

  • Sehr große Söhne haben im Schnitt kleinere Väter, sehr kleine Söhne größere Väter. Und umgekehrt: Sehr große Väter haben oft kleinere Söhne und sehr kleine Väter haben oft größere Söhne.


Ebenso könnte man behaupten:

  • Hochintelligente Frauen heiraten tendenziell Männer, die weniger intelligent sind als sie.

  • Nach einem Kälterekord wird wahrscheinlich die Temperatur in den folgenden Tagen wieder ansteigen.

  • Ein Golfer, der heute eine besonders gute Leistung zeigt, wird vermutlich morgen weniger erfolgreich.

  • Ein Golfer, der heute eine besonders schlechte Leistung bringt, wird sich morgen voraussichtlich verbessern.

Achtung, Denkfalle

Ergo: Nach einem besonders guten Ergebnissen wird aufgrund der Regression zur Mitte wahrscheinlich ein schlechteres Ergebnis folgen. Und nach schlechten Ergebnissen folgen mit höherer Wahrscheinlichkeit bessere.
(Das ganze gilt immer, wenn zwei Messwerte nicht perfekt miteinander korreliert sind.)

Intuitiv gefällt uns die Regression zur Mitte nicht. Intuitiv würden wir etwas anderes vermuten. Nach einem sehr erfolgreichen Ergebnis eines Sportlers tendieren wir dazu, ihm im darauffolgenden Wettkampf ebenso hohe Leistungen zuzusprechen.


Unser Gehirn neigt zu kausalen Erklärungen, und es kommt nicht gut mit Statistiken zurecht. Hier tappen wir regelmässig in eine Denkfalle. Wir suchen eine Erklärung (“Der Druck auf den Golfer war sicher zu hoch”). Doch die Erklärung ist in der Regression zu finden, und sie muss keine weitere Ursache haben, ausser schlicht Glück oder Pech.

So what?

Die Lehre: Wir Menschen sind keine guten intuitiven Statistiker. Unser Gehirn neigt zu falschen Schlüssen, was die Vorhersage von Ergebnissen betrifft. Und es neigt zu falschen Schlüssen, was die Begründung dieser Ergebnisse betrifft.

Die Wirkung eines Krisenmeetings, Sondertrainingslagern oder Expertenschnickschnack wird demnach oft überschätzt, wenn nach schlechten Ergebnissen die Ergebnisse wieder besser ausfallen.

Erfolge nach einem Negativ-Ausreißer passieren rein statistisch auch ohne Sonderbehandlung, sondern sind auf die Regression zum Mittelwert zurückzuführen. Der Einfluss von Sonderbehandlung kann also überschätzt werden, und damit zu weiteren falschen Schlussfolgerungen führen.

Die gute Nachricht:

Kritik ist daher natürlich nicht zwangsläufig effektiver als Lob! Die Leistungen wären wahrscheinlich auch ohne Gemecker besser geworden ;)

♡♡♡

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