4 Fragen, die dein Gedankenkarussell stoppen


Wie wir negative Gedanken entlarven


Wer belügt dich am häufigsten?

Wenn du nicht gerade als Staatsanwalt arbeitest, bist du es vermutlich selbst. Oder genauer formuliert (ganz nach dem Motto, wer bin ich und wenn ja wie viele?) - Es sind deine Gedanken.

Unsere Gedanken erzählen uns oft großen Käse. Und diese Tatsache macht uns angespannt und verkrampft.

Dröseln wir das Ganze doch einmal auf.

Vorab: “Sollte” gibt es nicht

Ein Apfel ist ein Apfel. Eine Birne ist eine Birne. Die Aussage “Diese Birne sollte ein Apfel sein” macht für uns wenig Sinn.


Genauso ist eine Situation immer genau so, wie sie gerade ist. Sie kann entsprechend nicht anders sein. Und auch die Aussage “Sie sollte” anders sein, hilft nicht. Denn sie ist es ja nicht. Sollte ist ein Urteil, ein gedankliches Konstrukt, eine VOR-stellung, die wir VOR die Realität stellen.


Wenn wir sollte denken, dann machen wir uns etwas vor, dann erzählen uns unsere Gedanken etwas über eine Vorstellung. Doch eine Vorstellung entspricht nicht der Realität. Eine Vorstellung ist deswegen eine Täuschung. Und wenn wir eine Täuschung bemerken, dann werden wir ENT-täuscht.

  • Es sollte nicht so viel regnen.

  • Die Kinder der Nachbarin sollten netter sein.

  • Die Gehälter sollten fairer sein.


Wie sieht die Realität aus?

  • Es sollte nicht so viel regnen: Tja, offenbar regnet es nun mal viel. Das muss nicht ewig anhalten, doch zur Zeit ist es so. ”Es sollte nicht regnen” ist schlicht eine gedankliche Mär, eine Fiktion. Wir könnten uns genauso gut damit beschäftigen, dass Dinosaurier nicht hätten aussterben sollen. Bringt halt nichts, nur inneren Unfrieden.

  • Die Kinder sollten netter sein … doch sie SIND es nun mal nicht. Vielleicht ändert sich die Situation später, vielleicht auch nicht. In der Realität sind sie es nicht und in der Realität sind wir es, die damit hadern.

  • Die Gehälter sollten fairer sein … Auch hier: Die Gehälter sind wie sie sind. Das heisst nicht, dass wir das gut finden müssen. Das heisst auch nicht, dass wir nichts tun dürfen, um konstruktiv eine Änderung herbeizuführen. Es heisst nur, dass die Gehälter gerade so sind, wie sie sind. Genauso, wie es gerade regnet. Und das einzige, das wir tun können ist, unsere Antwort auf diesen Umstand weise zu wählen.

Was bringt es, sich mit der Wirklichkeit anzulegen? Haben wir eine Chance? Fühlt sich das friedlich, konstruktiv, gut und stimmig an? Solange wir SOLLTE sagen, bringen wir eine ganze Menge Krampf in unsere Angelegenheiten.


Apropos: In welche Angelegenheiten eigentlich?

Drei verschiedene Angelegenheiten

Die Autorin Byron Katie (wir kommen später auf sie zurück) spricht davon, dass es drei Arten von Angelegenheiten gibt:

  • Meine Angelegenheiten

  • Deine Angelegenheiten

  • Die Angelegenheiten der Welt oder des Universums


Hier spiegelt sich die philosophische Idee wider, dass wir uns am besten auf diejenigen Dinge konzentrieren, die wir kontrollieren können, auf die wir einen Einfluss haben. Und Einfluss haben wir nur auf unsere Angelegenheiten.
Das heisst: Am meisten hilft es allen, wenn jeder sich um seine Angelegenheiten kümmert.

  • Unsere Angelegenheiten

    Wir haben Einfluss auf unsere Angelegenheiten. Wir können entscheiden, ob wir gesünder essen, länger schlafen, uns reflektieren, für uns einstehen, etwas lernen und wie wir auf Umstände reagieren.

  • Die Angelegenheiten der anderen

    … sind die Angelegenheiten der anderen. Das bedeutet ganz offensichtlich: Es sind nicht unsere Angelegenheiten. Und damit haben wir auch keine Kontrolle über sie.

    Jemand findet dich blöd? Das ist seine Angelegenheit.

    Jemand macht sich das Leben schwer? Das ist seine Angelegenheit.

    Auch hier müssen wir das nicht gut finden. Und natürlich können wir Hilfe anbieten. Wir können versuchen, den anderen emotional zu erreichen. Doch wenn jemand keine Hilfe annehmen will, dann ist das seine Angelegenheit.

  • Die Angelegenheiten der Welt:

    In Island ist es nur selten über 13 Grad.
    Der Kuckuck wirft fremde Eier aus dem (fremden) Nest.
    Es sterben jährlich X Menschen an Y.


    Es ist der Welt egal, wir wir das finden. Es ist wie es ist.


Ja, wir haben es schon öfter gehört: Es macht keinen Sinn, sich über Dinge aufzuregen, die wir nicht ändern können. Wollen wir uns ernsthaft mit einer höheren Macht anlegen? Und gibt es etwas zu gewinnen ausser inneren Unfrieden?

”Look, This is my dance space.
This is your dance space.
I don't go into yours,
you don't go into mine.”
(Johnny in Dirty dancing)


The Work: Eine Technik in 3 Schritten und 4 Fragen


Eine Möglichkeit, um gedanklichen Stress zu bewältigen, bietet Byron Katie an. “The Work” nennt sie ihren Prozess der Selbstuntersuchung, bei dem es darum geht, belastende Gedanken zu erkennen, zu hinterfragen und schließlich zu verwandeln. Denn Stress entsteht nicht durch Ereignisse oder Personen, sondern durch unsere eigene Interpretation der Geschehnisse.

“Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen und Vorstellungen, die wir von den Dingen haben.”
(Epitket, Stoiker, um 50 n. Chr)


Um unsere Gedanken zu hinterfragen gehen wir in drei Schritten vor:

Schritt I: Schreib alles auf, was dich nervt

Schnapp dir Zettel und Stift und denke an jemanden, der dich aufregt. Und dann schreibst du schön pingelig auf, was dich an der Person so in Wallung bringt. Wer ärgert dich, verwirrt dich, macht dich traurig oder enttäuscht dich – und warum? Was denkst du? Was willst du, dass diese Person ändert? Was würdest du ihr raten? Was brauchst du von ihr?

Nachdem wir alles fein säuberlich notiert haben, gehen wir jede einzelne Aussage der Reihe nach durch und stellen pro Aussage diese 4 Fragen.
Dabei geht es darum, sich der eigenen Denkweise bewusst zu werden.

Schritt II: Stell dir diese vier Fragen

  1. Ist das wahr? (Ja oder nein. Bei nein: gehe zu Frage 3.)

  2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? (Ja oder nein.)

    Ggf. kannst du diese Fragen ergänzen:
    Und das bedeutet, dass …
    Die Beweise dafür sind …

  3. Wie reagierst du (was passiert), wenn du diesen Gedanken glaubst?

    Ggf. kannst du diese Fragen ergänzen:
    Beschreibe deine körperlichen Empfindungen, die auftauchen, wenn Du diesen Gedanken hast.
    Wie behandelst Du Dich und andere Personen, wenn Du diesen Gedanken hast?

  4. Wer wärst du ohne den Gedanken?

    Zusatzfrage: Gibt es einen Grund, der keinen Stress verursacht, an diesem Gedanken festzuhalten?

Schritt III: Dreh deine Aussagen um

Mit den Umkehrfragen findest du deine eigenen (wirklichen) Themen heraus

Jede Aussage aus Schritt I wurde anhand der 4 Fragen in Schritt II analysiert. In Schritt III geht es nun darum, die Aussagen aus Schritt I umzukehren. Wir drehen die Sätze um und lassen sie auf uns wirken. Wir loten aus, welche Gegenthesen (ebenfalls) wahr sein könnten, oder noch wahrer. Wir merken es daran, wenn wir stutzen, oder wenn sie sich intuitiv wahr anfühlen.

Ein Beispiel:

Wenn der Vorwurf lautet: “Marco hört mir nie zu.” Dann könnte die Umkehrung lauten:

„Ich höre Marco nie zu“
„Ich höre mir selbst nie zu“
„Marco hört mir zu“

Tipp: Manchmal hilft es, die Umkehrung mit “Mein Denken über” zu starten. Für “Diese Gesundheitsreform macht mich irre.”, könnte die Umkehrung lauten: “Mein Denken über … macht mich irre.”

“Alles, was uns an anderen irritiert, kann uns zu einem tieferen Verständnis von uns selbst führen.”
(C.G.Jung)

Dieser Teil der Übung, die Umkehrung, erinnert an die Schatten-These des Psychiaters C.G. Jung: Nach dieser Theorie spiegelt uns all das, was uns an anderen stört, unsere eigenen Themen wider, mit denen wir hadern, strugglen oder im Widerstand sind. Es sind die Dinge, die wir an uns selbst nicht akzeptieren oder die wir uns nicht eingestehen.

The Work: Ein Beispiel

Gehen wir die 3 Schritte und 4 Fragen an einem Beispiel durch.
Patty ärgert sich über Mark.

Schritt I:
Patty notiert, was sie ärgert:

Mark lässt oft seine Sachen liegen.
Mark sollte seine Socken wegräumen.
Mark nimmt mich nicht ernst.


Schritt II:

Patty beantwortet die 4 Fragen:

  1. Ist es wahr, dass Mark seine Socken oft liegen lässt? —> Ja!
    Und das bedeutet, dass … er mich nicht liebt.
    Ist das wahr, Mark sollte seine Socken wegräumen? —> Ja!
    Ist das wahr, Mark nimmt dich nicht ernst? —> Ja!

  2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?

    Mark liebt mich nicht —> Nein, 100 % sicher bin ich nicht.
    Mark sollte seine Socken wegräumen —> Hm. “Sollte” gibt es ja nicht. Er räumt sie nicht weg, das ist die Realität.
    Mark nimmt mich nicht ernst —> 100% sicher kann ich nicht sein, dass das wahr ist.

  3. Wie reagierst du, wenn du diesen Gedanken glaubst?

    —> Ich merke, dass mein Puls hochgeht und dass es in mir kribbelt. Ich merke, dass ich angriffslustig werde, zynisch und angespannt bei Mark reagiere.

  4. Wer wärst du ohne den Gedanken?
    —> Ich wäre entspannt und cool.

    Gibt es einen Grund, der keinen Stress verursacht, an diesem Gedanken festzuhalten?
    —> Ähm. Nein, es gibt keinen Grund, der keinen Stress verursacht.


Schritt III: Die Umkehrung

Mark sollte seine Socken wegräumen.
—> Mark sollte seine Socken nicht wegräumen. (Genau, tut er ja auch nicht.)
—> Ich sollte seine Socken wegräumen (Es stört ja schliesslich mich.)
—> Ich sollte mein meine stressigen Gedanken und Meckereien “wegräumen”


Mark nimmt mich nicht ernst.
—> Ich nehme Mark nicht ernst. (Weil ich auf ihn einrede wie ein Depp.)
—> Ich nehme mich nicht ernst. (Hmm.)

So what

“Ich lasse meine Überzeugungen nicht los – ich hinterfrage sie. Dann lassen sie mich los.”
(Byron Katie)

Glaub nicht deine ollen Geschichten!


Unsere Denkfähigkeit ist ein wertvolles Werkzeug. Doch wenn sie unaufgefordert tätig wird, kann sie ein schlechter Berater sein. Deshalb sollten wir nicht alles glauben, was uns in den Sinn kommt. Besser ist es, unsere Gedanken zu hinterfragen.


Unser Gedankenkarussell zeichnet sich ja gerne dadurch aus, dass es immer die gleichen Kreise zieht, eine Menge inneren Widerstand, Ärger und Krampf erzeugt und dabei unsere wertvolle Energie verprasst, die wir eigentlich in etwas Konstruktives stecken könnten.


Hier kommt “The Work” ins Spiel: Eine Reflexionsmethode, die das Gedankenkarussell stoppt, indem sie negative Gedanken erkennt, durchleuchtet und schließlich umdreht. So haben wir die Möglichkeit, unseren eigentlichen Themen auf den Grund zu gehen und schließlich Frieden mit uns selbst zu schließen.

Keep calm and question your thoughts

 

"Ich entdeckte, dass ich litt, wenn ich meinen Gedanken Glauben schenkte, aber dass ich nicht litt, wenn ich ihnen nicht glaubte - und dass dies für jeden Menschen gilt. So einfach ist das mit der Freiheit. Ich fand heraus, dass Leiden optional ist. Ich habe eine Freude in mir gefunden, die nie verschwunden ist, nicht einen einzigen Moment lang. Diese Freude ist in jedem Menschen, immer."

Byron Katie

 

Weiterführende Quellen:

Original Arbeitsblatt “The Work”

Buch von Byron Katie: “Lieben was ist” (mit vielen Anwendungsbeispielen, die helfen, die Methode noch besser zu verstehen —> gut als Hörbuch!)

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