Alles klar? Tipps für klare Kommunikation

Wie wir souveräner kommunizieren

Ein kleines Plädoyer für mehr Klarheit und weniger Krampf


Liam is not amused. Als Teamleiter sieht er sich in der Verantwortung, seinen Leuten den Rücken freizuhalten. Gerade bringt eine Schlamperei der Nachbarabteilung sein Teammitglied in die Bredouille. So geht das nicht! Liam wendet sich an Geschäftsleitung und macht seinen Unmut Luft. Schliesslich bin ich ein Mann der klaren Worte, denkt er.

Und das ist ebenfalls Liam:

  • Am Nachmittag im Zug setzt sich ein Fremder neben Liam. Der Fremde ist nicht nur fremd sondern auch taub, so dass Liam an seinem Musikgeschmack partizipiert, der aus den Kopfhörern dröhnt. Liam nimmt mehrmals vorwurfsvollen Blickkontakt auf, aber der Fremde reagiert nicht.

  • Liam steht in der Schlange im Supermarkt, als sich jemand vordrängelt, der es offenbar sehr eilig hat. “Hey!” ruft Liam ins Leere. Er dreht sich zu seinem Nachbarn in der Schlange um: “Unverschämtheit!” brummt er ihm zu.

  • Liam telefoniert mit seinem Vater. Das Gespräch wird anstrengend, als der Vater sich mit Ratschlägen in Themen einmischt, die ihn nichts angehen. Liam ist genervt und reagiert zynisch, was den Vater wiederum in Rage versetzt. Es kommt zum Streit.

  • Am Abend würde Liam gerne Fussball schauen, doch seine Frau präsentiert unverhofft eine Einladung der langweiligen Nachbarn. Um Streit zu vermeiden, verbringt er einen trostlosen Abend.

  • Liam ist wieder im Büro. Die junge Kollegin aus seinem Team hat einen Brief vorbereitet, doch der Text ist unklar formuliert. Liam ärgert sich kurz und ändert die Formulierungen selbst, bevor er das Schreiben an den Kunden schickt. Auf die kleinen Fehler geht er nicht ein. Warum mit kleinlicher Kritik die Stimmung im eigenen Team gefährden?
    Da fällt ihm die Buchhaltung ein: Eine Deadline wurde nicht eingehalten. Wütend greift Liam zum Telefon …


Was läuft hier schief?


Klare Kommunikation: Grenzen ziehen

“Something I have learned in life is that people who have no boundaries are constantly furious”
(Elisabeth Gilbert)


”Etwas, das ich im Leben gelernt habe, ist, dass Menschen, die keine Grenzen haben, ständig wütend sind.”


Das Zitat von Elisabeth Gilbert regt zum Nachdenken an: Grenzen? … Was bedeutet es, Grenzen zu ziehen?


Das bedeutet zunächst, sich folgende Fragen zu stellen:
Kommunizieren wir deutlich, was wir wollen oder nicht wollen, oder reden wir um den heissen Brei herum?
Sind wir zynisch und verwechseln das mit witzig?
Gehen wir davon aus, dass alles offensichtlich ist und andere es auch so sehen müssten? Halten wir unsere Mitmenschen für Gedankenleser? Oder für Ignoranten?


Es kann schon sein, dass der fremde Schwerhörige im Zug Liams vorwurfsvollen Blick gesehen hat. Vielleicht hat er aber auch gedacht: “Hm, ist meinem Sitznachbarn die Musik zu laut? Ach was, dann würde er ja was sagen.


Warum also dieses Wischiwaschi? Warum bittet Liam nicht einfach höflich, die Musik leiser zu stellen? Warum erklärt er seinen Vater nicht sachlich, dass er keine Ratschläge möchte? Warum spricht er die kleinen Fehler bei der jungen Kollegin nicht an, zeigt ihr wie es besser geht und gibt ihr damit die Chance, etwas zu lernen?

”Sometimes speaking the truth feels as if we are being unkind, especially when sharing difficult information or feedback.
But in reality, dancing around the truth is unkind.”


”Manchmal fühlt es sich unhöflich an, die Wahrheit zu sagen. Aber in Wirklichkeit ist es unhöflich, um die Wahrheit herumzutanzen. Wenn wir uns davor drücken, die Wahrheit zu sagen - wenn wir unter dem Vorwand, freundlich zu sein, vage oder zweideutig sind, - dann liegt das oft daran,
dass wir versuchen, die Unannehmlichkeiten für uns selbst zu verringern, nicht für die andere Person.” (Brené Brown)

Verwechseln wir da also was?

Verwechseln wir vielleicht Höflichkeit mit Bequemlichkeit oder mit der Unsicherheit über die eigenen Grenzen? Bringen wir Klarheit mit Arroganz oder Unfreundlichkeit durcheinander?
Es geht ja weder darum, zu meckern und zu motzen, negativ oder gar aggressiv zu sein. Es geht darum, Dinge, wenn nötig, mit klaren Worten freundlich und erwachsen anzusprechen.


Wäre also zunächst zu klären: Kennen wir unsere Grenzen? Sind wir uns bewusst, was wir wollen und was nicht?
Und gestehen wir uns diese Grenzen auch zu und artikulieren sie gegenüber anderen? Oder machen wir vieles zu sehr davon abhängig, was wir denken, was andere denken?

Selbst-bewusst-sein

Wer klar kommunizieren will, braucht ein gutes Selbstbewusstsein, liest man dann gerne. Das klingt auch schlüssig, doch die Bedeutung von “Selbstbewusstsein” wird vielleicht nicht voll erfasst. Nehmen wir Selbst-bewusst-sein doch einmal wörtlich: Sich seiner selbst bewusst zu sein … das bedeutet doch im Grunde, sich selbst gut zu kennen.


Selbstbewusstsein
wird oft mit einem großem Ego gleichgesetzt. Doch genau hier liegt ein Unterschied. Unser Ego vergleicht sich gerne mit anderen und will immer der Größte und Beste sein. Und wenn es sich unterlegen fühlt, dann beansprucht es eben den moralischen Sieg: Wir erleben dann die größten Herausforderungen, wir sind Opfer der größten Ungerechtigkeiten, während wir gleichzeitig den größten moralischen Überblick haben ... Ego can be a Drama-Queen.


Selbst-Bewusst-sein hingegen hat mehr damit zu tun, wie bewusst wir uns über unser Wesen, unsere Natur sind. Selbstbewusstsein bedeutet, dass wir uns gut einschätzen können und Vertrauen in unsere Fähigkeiten, unsere Werte und in unser Urteilsvermögen haben. Wir können abschätzen, worin wir gut sind, worin wir mittelmässig sind und was uns nicht liegt. Wir sind uns unserer Stärken und Schwächen bewusst und wir vergleichen uns mit unserem eigenen Fortschritt.


Selbstbewusstsein hat nichts damit zu tun, immer recht zu haben. Selbstbewusstsein bedeutet vielmehr, keine Angst zu haben, auch mal daneben zu liegen. Selbstbewusstsein hat mit einem Growth Mindset zu tun und geht mit dem Einstellung einher, dass Misserfolg Teil des Lernens ist.


Selbstbewusstsein bedeutet, auf die eigene innere Stimme hören zu können. Und das bedeutet, überhaupt unterscheiden zu können, welche Stimme zu einem selbst gehört und was nur Lärm von aussen ist: Werte und Normen durch Erziehung, Gesellschaft, Eltern oder sonstiger Zeitgenossen.


Selbstbewusstsein bedeutet, dass wir Grenzen setzen und für sie einstehen.

“Is it dust or is it you?”
(Jay Shetty)

Reflexions-Check: Wann kommen wir ins Trudeln?

Wenn wir ahnen, dass wir ein bisschen zu oft herumeiern, dann ist es vielleicht an der Zeit, unseren Mustern auf die Schliche zu kommen. Das funktioniert beispielsweise, indem wir uns regelmässig folgende Fragen stellen: Wie zufrieden war ich heute mit meiner Kommunikation? Wie eindeutig und konsistent war meine Kommunikation in den unterschiedlichen Situationen? Bin ich heute für mich selbst eingestanden?


So erkennen wir nach einer Weile wiederkehrende Reaktions- und Kommunikations- Muster und identifizieren Situationen, in denen wir uns schwerer tun als gedacht. Wir stellen fest, wann, bei wem und bei welchen Themen wir ins Schlingern geraten und bei welchen Gelegenheiten wir nicht so elegant auf den Punkt kommen, wie wir es gerne würden.

Und dann können wir etwas ändern.

♡- Reminder: Wer sich besser kennt, kann besser handeln.

Klare Kommunikation: Formulierungen sammeln

“You cannot see the bottom of the pot when the water is boiling.” habe ich irgendwo gelesen. Und das soll heissen: Wenn es in uns kocht, dann können wir nicht klar sehen, nicht klar handeln und nicht souverän reagieren. Und deswegen fallen uns die besten Antworten auch immer zu spät ein.

Doch genau das können wir ja nutzen! Wie wäre es, uns eine kleine feine Sammlung an Antworten zurechtzulegen? Eine persönliche Vorbereitung für die nächste sich bietende Situation. Wir recherchieren und bereiten zwei, drei hübsche Formulierungen für diejenigen Themen vor, bei denen wir gerne ins kommunikative Stolpern geraten.

Hier einige Beispiele für klare Kommunikation … und idealerweise werden diese so umformuliert, dass sie zum eigenen Stil und Geschmack passen:

  • Klare Kommunikation I: Wenn wir uns zu einem Thema nicht äussern möchten
    “Dazu habe ich jetzt keine Meinung”, “Mit dem Thema kann ich nichts anfangen”, “Das ist jetzt nicht meine Frage.”
    Oder auch: “Können wir über etwas anderes sprechen?”

  • Klare Kommunikation II: Wenn wir im Zug, Taxi, Friseur- oder Massagesalon ein Gespräch abkürzen möchten
    Ich merke gerade … dass ich nicht konzentriert bei der Sache bin / … ich etwas müde bin / mir noch ein paar Dinge durch den Kopf gehen / … ich möchte noch etwas durchdenken”

  • Klare Kommunikation III: Wenn wir uns zu einer Aufgabe gedrängt fühlen, die wir nicht übernehmen möchten
    Dafür bin ich nicht die Richtige”, “Das ist nicht mein Thema”, “Bei diesem Thema kann ich dir leider nicht helfen”, “Das kann ich nicht leisten” , “Das möchte ich dir lieber nicht versprechen”

  • Klare Kommunikation IV: Wenn wir Fakten schaffen und Fehlinterpretation vermeiden möchten
    Habe ich es richtig verstanden, dass … “, “Meinst du damit dass …?”, “Es wirkt auf mich so… liege ich damit richtig?”, “Ist das AB jetzt das Problem oder XY?”, “Ich habe das Gefühl, du bist sauer. Bist du sauer?”

  • Klare Kommunikation V: Wenn wir unterbrochen werden
    Ich mach dann mal weiter”, “Ich übernehm´ dann mal wieder”

  • Klare Kommunikation VI: Wenn wir befürchten, dass ein Anrufer, Kollege, etc. der spontan auftaucht oder anruft zu weit ausholen will
    Ich habe gerade nur 10 Minuten Zeit, reicht uns das?”, “Fazit first”

  • Klare Kommunikation VII: Wenn wir einen Ausstieg aus einer festgefahrenen Diskussion anstreben
    Let´s agree to differ” - “Einigen wir uns doch darauf, dass wir uns gerade nicht einigen können.”

Sätze zurechtlegen. Ich-Botschaften nutzen. Fragen stellen.

So what: 3 Tipps für klare Kommunikation

Wir merken es ja: Wenn wir klar sind und klar kommunizieren, dann fühlen wir uns gut: Authentisch, souverän und selbstbestimmt.


“Nichts kann dir Frieden geben, nur du selbst” sagt Ralph Waldo Emerson. Und das heisst auch: Für Frieden und für Grenzen müssen wir also schon selbst sorgen - Niemand wird kommen und unsere Grenzen verteidigen.


Und da jeder Jeck anders ist, sind es eben auch die persönlichen Grenzen. Und die sind in der Regel nicht so offensichtlich, wie wir das manchmal denken. Das, was für den einen harmlos, normal oder charmant ist, gruselt dem anderen. Gute Ratschläge? Schwangeren auf den Bauch tätscheln? Spöttische Bemerkungen, ausuferndes Gelaber?
Hier verträgt eben jeder seine eigene Dosis. Und da diese nirgendwo angeschlagen steht, kann sie unser Gesprächspartner auch so lange nicht kennen, bis wir sie ihm mitteilen. More communication, please!

In a Nutshell: 3 Tipps für mehr Klarheit

  1. Reflexions-Check: Klarheit erzielen wir, wenn wir uns besser kennenlernen, das eigene Selbst-Bewusst-sein schärfen und mittels Reflexionsfragen eine Inventur über die eigenen Werte, Stärken, Schwächen, Muster und Grenzen machen.

  2. Bei Verständnisproblemen: Fragen stellen! Und insgesamt weniger Interpretieren.

  3. Vorbereitet sein: Formulierungen sammeln, um diese im Falle eine Falles einzuwerfen und sich dann gut zu fühlen.

Alles klar? ;)


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